Northern Gothic by Andreas Gruber

Northern Gothic by Andreas Gruber

Autor:Andreas Gruber [Gruber, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Mystery, Horrorthriller, Abenteuer, Spannung, Drama
ISBN: 9783958350786
Herausgeber: LUZIFER-Verlag
veröffentlicht: 2015-07-19T16:00:00+00:00


Das Bahnwärterhaus

Diese Story wurde für Boris Kochs Anthologie Gothic II – Darker Stories für einen Jugendbuch-Verlag geschrieben. Allerdings wurde uns Autoren eine strikte Wörter-Beschränkung auferlegt, die wir nicht überschreiten durften. Einige haben sich natürlich nicht daran gehalten – ich jedoch schon. Schließlich bin ich ein ängstlicher Typ, außerdem habe ich zu große Furcht vor Boris Koch, der im Jahr 2000 meinen ersten Erzählband Der fünfte Erzengel in einer kleinen, aber feinen Edition herausgegeben hat. Damals noch mit einer Auflage von 200 Exemplaren, wovon ich die Hälfte selbst gekauft habe … auch aus Furcht.

Ich habe die Geschichte also gekürzt, gekürzt und nochmals gekürzt und musste viele Ideen zu Gunsten des Zeichenlimits aufgeben, dabei gab das Thema so viel her.

Hier ist die Geschichte nun in ihrer ursprünglichen langen Fassung, die ich versehentlich nicht gelöscht habe.

Das alte Bahnwärterhaus lag außerhalb der Stadt an der vor Jahren stillgelegten Gleisstrecke. Josh liebte es, über die von Gestrüpp überwucherten Holzschwellen zu schlendern, in der leer stehenden Wartehalle zu sitzen oder einfach nur wie eine Eidechse auf dem von der Sonne aufgeheizten spröden Beton des Bahnsteigs zu liegen und in den Himmel zu blicken. Wie gut das alte Holz des Vordachs duftete! Dieser Platz besaß etwas Verwelktes, aber auch Heimeliges. Genau die richtige Stimmung für seine Gedichte.

Vor einem halben Jahr hatte er den Fehler begangen, seinen Mitschülern zu erzählen, dass er dunkle Lyrik schrieb, und schon hatten sie ihn monatelang verarscht, sein Notizbuch geklaut und es sogar einmal in die Kloschüssel der Mädchentoilette geworfen. Normalerweise standen Frauen auf Gedichte, aber nicht die weibliche Dorfjugend in Lothausen. Hannas Freundinnen hatten sich keine spitzen Bemerkungen verkniffen. Aber er war keine Lyrie-Schwuchtel, die Kack-Po-Esie und schwülstige Mädchengedichte schrieb. Seine Lyrik war düster, von tiefer Todessehnsucht geprägt – und die meisten Verse handelten von Hanna. Eigentlich wollte er sie die Texte eines Tages lesen lassen, doch nach dieser Demütigung konnte er das vergessen. Vermutlich war er in ihren Augen bloß ein Weichei, das zu viel Zeit mit seinen Büchern vergeudete.

Während seine Schulfreunde die Sommerferien am Stausee verbrachten, neben dem Löschteich der Feuerwehr campten oder mit den Mountainbikes durch den alten Steinbruch rasten, hing er die meiste Zeit in der Nähe des Bahnwärterhauses herum. Nicht nur wegen der Ruhe, die dieser Ort ausstrahlte, sondern auch wegen der Stimmung – besonders nach Sonnenuntergang.

Die richtige Muse und Inspiration fand Josh allerdings erst, als er die morsche Tür zum Treppenhaus mit dem Metallbein eines alten Stuhls, den er im Warteraum gefunden hatte, aufbrach und die oberen Räume des Hauses erkundete. Mann, sah die Bude verrottet aus! Direkt unter dem Dach hatte sich wohl früher die Wohnung des Bahnwärters befunden.

Doch nachdem die Strecke geschlossen worden und der letzte Zug durch Lothausen gerollt war, kam die Frau des Wärters unter mysteriösen Umständen ums Leben. Daraufhin erhängte sich der Alte angeblich in seinem Zimmer vor einem großen Wandspiegel am Dachbalken. Das alles war vor Joshs Zeit geschehen – er hatte den Wärter nicht mehr gekannt.

Der Balken ist immer noch da, aber der Spiegel ist verschwunden.

Jahre später hatte die Stadtgemeinde ein Stipendium ausgeschrieben.



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